

Der erste Satz aus dem Evaluationsbericht der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder nach § 32 GlüStV vom 28.04.2017 lautet:
„Glücksspiele sind keine normalen, sondern besondere Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen. Sie können nur bestehen und funktionieren, wenn mehr verloren als gewonnen wird.“
Glücksspiele sind kein normales Gut
- Circa 500 000 Menschen in der BRD haben ein Problem mit Glücksspielen oder sind glücksspielsüchtig.
- Schätzungsweise die Hälfte der Gewinne stammen von Personen, die ein Problem mit dem Spielen haben oder glücksspielsüchtig sind.
- Die meisten Menschen, die ein Glücksspielproblem haben, sind Menschen, die eher über ein geringeres Einkommen verfügen.
- Häufige Gründe für Glücksspiele:
- die Idee, Geld gewinnen zu können oder
- sich von Problemen (die auch oft durch mangelndes Einkommen herrühren) abzulenken.
Glücksspiele haben unterschiedlich gefährliche Suchtpotenziale
Das Suchtpotenzial hängt in hohem Maße von der
- Verfügbarkeit der Spielmöglichkeiten und
- der Schnelligkeit der Spielabfolge
Online-Glücksspiele sind überall verfügbar. Daher besteht die Gefahr, dass die Legalisierung dieser Glücksspiele zu einer sukzessiven Zunahme von problematischem oder süchtigem Glücksspiel im Onlinebereich führen wird.
Eine Ausweitung der Glücksspielangebote kann nicht im Interesse des Staates oder der Staatsbürger sein.
Die sozialen Kosten für Menschen mit einer Suchtproblematik, die von der Gesellschaft getragen werden, liegen bereits heute schon bei Schätzungen zwischen 340 Millionen und 2 Milliarden Euro. Diese sozialen Kosten werden durch die Legalisierung weiter steigen.
Die staatlichen Einnahmen werden im Verlauf sinken, da staatliche Angebote auf Dauer nicht mit den kommerziellen Glücksspielangeboten konkurrieren können.
Im Gegenzug aber werden die Gewinne aus dem kommerziellen Glücksspiel in der Privatwirtschaft getätigt und dort belassen. Diese beteiligen sich nicht an den gesellschaftlichen Folgen von Glücksspielsucht.
Die erwirtschafteten Gelder aus dem staatlichen Lottospiel werden der Gesellschaft durch wohlfahrtsfördernde Mittel wieder zurückgegeben werden. Es profitieren Wohlfahrts- und Sportverbände, Denkmalschutz und mehr.
Durch den Weg der Legalisierung von virtuellem Automatenspiel, Online-Casino, Online-Sport-wetten werden alle bis heute gerichtlich erreichten Beschränkungen für die Glücksspielwirtschaft in Frage gestellt werden.
Dies bedeutet, dass die Glücksspielbranche mit Sicherheit gegen die derzeitig bestehenden Auflagen im terrestrischen Bereich klagen wird um die Abstandsregelungen zu kippen und wieder Mehrfach- konzessionen zu erwirken.
Der vorgestellte Entwurf kommt damit vor allem den Interessen der Spieleanbieter, Banken, Medienanbieter und der Werbebranche entgegen und richtet sich gegen die Interessen der Bürger oder den Vorgaben des Jugend– und Spielerschutzes.
Die Branche spricht von dem Kanalisierungsauftrag, Glücksspieler von illegalen Glücksspielangeboten in legale Glücksspielangebote zu überführen. Dieser Kanalisierungsauftrag verhindert nicht Glücksspiele, sondern schafft neue legale Glücksspielangebote, die im weiteren durch legalisierte Onlinewerbung befeuert werden.
Zurzeit spricht sich die Automatenwirtschaft noch großzügig für den Fortbestand und der Stärkung des Lottomonopols aus, aber entscheiden ob die Monopolstellung noch berechtigt ist, wird bei einer Klage der Gesetzgeber.
Wir kritisieren den Entwurf in den folgenden Kernpunkten:
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Der Gesetzesentwurf hat die bestehenden suchtfachlichen Erkenntnisse über das gesteigerte Suchtpotenzial von Verfügbarkeit und Schnelligkeit eines Glücksspiels nicht angemessen berücksichtigt.
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Das Ziel des § 1 des Staatsvertrags, nämlich das Entstehen von Glücksspielsucht zu verhindern sowie den Jugendschutz zu gewährleisten, wird durch die geplante Legalisierung der oben genannten Online Glücksspiele wesentlich erschwert.
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Die geplante Legalisierung trägt in der Gesellschaft zu einer weiteren Etablierung von Glücksspielen als ungefährliches und normales Gut bei.
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Werbung für legale Glücksspiele im Internet und Sponsoring soll erlaubt werden. Werbung wirkt und verführt – so auch im Glücksspielbereich. Wir fordern die Beibehaltung der derzeitigen Beschränkungen der Glücksspielwerbung um Kinder, Jugendliche und Verbraucher vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen. Wir fordern ein striktes Verbot von Affiliate Marketing für alle Glücksspieler.
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Wir fordern eine Überarbeitung des Glücksspielstaatsvertrages unter Berücksichtigung der genannten Argumente und die Einarbeitung von weiteren Kriterien und Überlegungen wie:
- die Expertisen von Suchtforschern stärker in Gesetzesentwürfe einfließen zu lassen,
- das Einzahlungslimit von derzeit 1000 Euro bei virtuellen Automaten, Online Sportwetten, Online-Casino und Online Poker drastisch, mindestens um die die Hälfte zu reduzieren. Das Limit entspricht dem tatsächlichen Geldverlust, den ein Spieler online pro Monat verlieren kann. Tatsächlich verfügen die meisten Menschen in unserer Gesellschaft nicht über ein derart hohes Einkommen um angeblich „unproblematisch“ so eine hohe Summe, wie im Entwurf vorgeschlagen, verspielen zu können,
- eine Evaluierung, auch wie sie vorgesehen ist, ist sinn- und zwecklos, wenn die Ergebnisse nicht in Gesetzesentwürfen berücksichtigt werden. Wir fordern die konsequente Einbeziehung der Ergebnisse aus der Evaluation in die Gesetzesentwicklung,
- die angemessene Kostenübernahme für die Aufgaben der Glücksspielprävention und Glücksspielsuchthilfe,
- den Entwurf unter Einbeziehung aller suchtrelevanten Erkenntnisse und im Hinblick auf die negativen zukünftigen Wirkungen abzuändern,
- Werbeverbote für Online Glücksspiele und weitere Werbeeinschränkungen nach suchtfachlichen Aspekten,
- strikte tatsächlich hohe Geldstrafen gegen ein Zuwiderhandeln des Werbeverbotes,
- ein Verbot von getarnter Werbung über alle Werbekanäle (Werbung als Information usw. getarnt)
- ein klares Verbot von Wetten auf E-Sports um Spielmanipulationen zu vermeiden und
- eine von der Anstalt unabhängige Glücksspielforschung um Interessenkonflikte zu vermeiden.
Wir fordern einen angemessenen Zeitraum, um eine gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder aufzubauen, bevor ein neues Gesetz umgesetzt wird und die Durchsetzung des bestehenden Rechts mit allen Mitteln.
Als sehr begrüßenswert erachten wir die geplante Einführung einer bundesweiten spartenübergreifenden Sperrdatei, sie kann ein Initial oder eine starke erste Hilfestellung für problematische oder süchtige Spieler sein. Den Bereich der Spielersperre hat der Gesetzgeber umfassend in dem Neuen Staatsvertrag geregelt, die Ausgestaltung ist geprägt von dem Bestreben tatsächlich suchtfachlichen Schutzmaßnahmen umzusetzen.
gez.
Christine Hensler